Erinnerung, ein kreatives Konzept
Um diese Zeit herum fing das an. Wenn ich mich recht erinnere. Aber ich habe meine Erinnerung längst ausgetauscht gegen das Vorstellungsvermögen, das viel mächtiger und unterhaltsamer, vor allen jederzeit manipulierbar ist. – Der Spiegelkasten, Seite 10
Aber die meisten Menschen glauben, sie könnten sich auf ihre Erinnerung und ihr Gedächtnis ziemlich gut verlassen – laut PLoS One, einem Online-Wissenschaftsmagazin, das im August 2011 die Resultate einer Befragung in den USA veröffentlichte:
- 63 % glauben, dass das Gedächtnis wie eine Videokamera funktioniert, deren Aufzeichnungen wir später einfach und 1:1 aufrufen können.
- 48 % glauben, dass das Gedächtnis ein permanenter Speicher ist
- und 37 % denken, dass die Erinnerung eines einzelnen Zeugen für eine Verurteilung vor Gericht ausreicht (in einem Land, wo es noch die Todesstrafe gibt…)
Damit liegen sie wohl falsch. Alle 16 Experten (Psychologen, Hirnforscher, …), denen dieselben Fragen vorgelegt wurden, sagten: Nein, stimmt nicht. Unzählige, zum Teil schon lange bekannte wissenschaftliche Studien beweisen das Gegenteil. Sie sind ein wenig schockiert, die Wissenschaftler, weil so wenig von diesen Erkenntnissen bei den Leuten ankommt.
Ich glaube, Erinnerung eine Loseblattsammlung. Ab und zu fliegt ein Blatt raus, oder man hat etwas falsch eingeordnet. Man möchte was ablegen, tut es aber nicht. Manche Seiten vergilben. Man findet etwas nicht, weiß aber ganz genau, dass es da ist. Da sein muss. Die Lücken, die fehlenden Blätter, sind das eigentlich Interessante.
Daraus bastelt man sich seine eigene Geschichte, die mehr ist als die Summe der Erinnerungen.