Wer die bessere Geschichte hat, gewinnt.

Bücher, Bücher, Bücher

Ohne Bücher geht es nicht. Sie sind die Augen und Ohren (und Nasen) aus ande­ren Zei­ten und Wel­ten; die, die man als Autor selbst nicht haben kann, auch wenn man die Augen auf­reißt und die Ohren auf­sperrt.  Ein Ein­blick in die Hand­bi­blio­thek fürs »Sand­korn«:

Arthur Haseloff/Martin Wackernagel

Das sind die bei­den Kunst­his­to­ri­ker, die wirk­lich mit dem Pho­to­ap­pa­rat durch Süd­ita­li­en zogen.

  • Arthur Haseloff und Mar­tin Wacker­na­gel / Mit Maul­tier und Kame­ra durch Unter­ita­li­en. For­schun­gen zur Kunst im Süd­reich der Hohen­stau­fen (1905– 1915). Uwe Albrecht, Ed. Ver­lag Lud­wig (Kiel, 2005).
    Das ist der reich bebil­der­te Kata­log zu einer Aus­stel­lung über die süd­ita­lie­ni­schen Rei­sen der bei­den Kunst­his­to­ri­ker. An der Uni­ver­si­tät Kiel wird der Nach­lass Haseloffs auf­be­wahrt. Eini­ge der Bil­der sind auch auf der Home­page der Arthur-Haseloff-Gesell­schaft zu fin­den.
  • Arthur Haseloff und Mar­tin Wacker­na­gel alla ricer­ca del­le Capi­tana­ta medi­eva­le. Micha­el Matheus, Seve­rio Rus­so, Pas­qua­le Favia, Eds. Gren­zi (Fog­gia, 2010).
    Eben­falls mit vie­len Bil­dern von Haseloff/Wackernagel.
  • Hohen­stau­fi­sche Erin­ne­run­gen in Apu­li­en. Arthur Haseloff. Wes­ter­mann (Braun­schweig, 1906). Als Reprint: Anton H. Kon­rad Ver­lag (Wei­ßen­horn, 1991).
    Haseloffs eige­ner Bericht über die ers­ten Rei­sen erschien zunächst in Wes­ter­manns Illus­trier­ten Deut­schen Monats­hef­ten und wur­de wegen des gro­ßen Erfolgs als Son­der­druck veröffentlicht.
  • Die Kai­se­rin­nen­grä­ber in Andria. Ein Bei­trag zur apu­li­schen Kunst­ge­schich­te unter Fried­rich II. Arthur Haseloff. Ver­lag von Loesch­ner & Co. (Rom, 1905).
  • Brief­wech­sel Arthur Haseloff/Paul Fri­do­lin Kehr; aus der Per­so­nal­ak­te A. H., Deut­sches His­to­ri­sches Insti­tut Rom (unedi­tiert).
    Haseloff berich­te­te regel­mä­ßig und aus­führ­lich an den Direk­tor des König­lich Preu­ßi­schen His­to­ri­schen Insti­tuts in Rom, Pro­fes­sor Kehr. Aus die­sen Brie­fen habe ich manch inter­es­san­te Beob­ach­tung und Detail übernommen.

Der Eulenburg-Prozess und das schwule Berlin der Kaiserzeit

Die gro­tes­ke Pro­zess­pos­se (wie es einem aus heu­ti­ger Sicht vor­kom­men mag) um die ver­mu­te­te Homo­se­xua­li­tät bedeu­ten­der Zeit­ge­nos­sen des Kai­ser­reichs spiel­te sich in den Jah­ren 1906 bis 1909 in Ber­lin ab. Den bes­ten Abriss der Eulen­burg-Affä­re bieten:

  • Famo­se Ker­le. Eulen­burg – Eine wil­he­mi­ni­sche Affä­re. Peter Jung­blut. Män­ner­schwarm­skript Ver­lag, (Ham­burg, 2003).
  • Die Freun­de des Kai­sers. Die Eulen­burg-Affä­re im Spie­gel zeit­ge­nös­si­scher Kari­ka­tu­ren. James Steak­ley. Män­ner­schwarm­skript Ver­lag, (Ham­burg, 2004).
    Eine kom­men­tier­te Kol­lek­ti­on der zum Teil unglaub­lich obs­zö­nen Kari­ka­tu­ren, mit denen die bun­ten Blät­ter die Eulen­burg-Pro­zes­se beglei­te­ten – in einer Zeit, die man für prü­de hielt…

Aus eige­ner Anschau­ung berich­tet Dr. Magnus Hirsch­feld, der Begrün­der des »Wis­sen­schaft­lich-huma­ni­tä­ren Komi­tees«, über:

  • Ber­lins Drit­tes Geschlecht. Schwu­le und Les­ben um 1900. Man­fred Her­zer, Ed. Ver­lag Rosa Win­kel (Ber­lin, 1991).
    Reprint der Ori­gi­nal­aus­ga­be von 1904, mit eini­gen Pho­to­gra­phien. Ein auf­klä­ren­des Werk im bes­ten Sin­ne: Hirsch­feld schreibt für ein brei­tes Publi­kum und ver­sucht, Ver­ständ­nis  und Respekt, wenigs­tens aber Tole­ranz für die Homo­se­xu­el­len Ber­lins zu erwecken.

Zwei Bücher zum sel­ben The­ma, aus heu­ti­ger Zeit:

  • Von ande­ren Ufern. Geschich­te der Ber­li­ner Les­ben und Schwu­len in Kreuz­berg und Fried­richs­hain. Jens Dobler. Bru­no Gmün­der Ver­lag (Ber­lin, 2003).
  • Eldo­ra­do. Homo­se­xu­el­le Frau­en und Män­ner in Ber­lin 1850 – 1950. Geschich­te, All­tag und Kul­tur. Kata­log zu einer Aus­stel­lung im Ber­lin Muse­um 1984. Ver­lag Frölich & Kauf­mann (Ber­lin, 1984).

Schlimmer als die Polizei erlaubt (schon damals)

Wie die kai­ser­li­che Poli­zei mit der schon damals rie­si­gen »Sze­ne« Ber­lins umging, ist in jüngs­ter Zeit genau­er erforscht wor­den. Die berüch­tig­te »Rosa Lis­te« von Per­so­nen, die die Poli­zei dem homo­se­xu­el­len Milieu zurech­ne­te, ent­stand in die­ser Zeit – zumin­dest als geflü­gel­tes Wort. War­um »rosa« und wenn ja, wo sie geblie­ben ist – unbe­kannt. Alle ande­ren Ant­wor­ten in:

  • Zwi­schen Dul­dungs­po­li­tik und Ver­bre­chens­be­kämp­fung. Homo­se­xu­el­len­ver­fol­gung durch die Ber­li­ner Poli­zei von 1848 bis 1933. Jens Dobler. Ver­lag für Poli­zei­wis­sen­schaft (Frank­furt, 2008).
  • Death in the Tier­gar­ten. Mur­der and Cri­mi­nal Jus­ti­ce in the Kaiser’s Ber­lin.  Ben­ja­min Car­ter Hett. Har­vard Uni­ver­si­ty Press (Cam­bridge, USA/London, UK, 2004).
    Eini­ge gute Ein­bli­cke in das Funk­tio­nie­ren des wil­hel­mi­ni­schen Justizapparates.

Hans von Tre­sc­k­ow (im Buch: Kom­mis­sar Trep­tow) war Kri­mi­nal­kom­mis­sar im Ber­li­ner Erpres­ser­de­zer­nat und somit wesent­lich mit Fäl­len aus dem »Milieu« beschäf­tigt. Im Ruhe­stand schrieb er sei­ne Memoi­ren unter dem Titel:

  • Von Fürs­ten und ande­ren Sterb­li­chen. Erin­ne­run­gen eines Kri­mi­nal­kom­mis­sars. Hans von Tre­sc­k­ow. F. Fon­ta­ne & Co. (Ber­lin, 1922).
    Vor allem im Abgleich mit Doblers Buch (»Dul­dungs­po­li­tik…«, sie­he oben) wird man Tre­sc­k­ows Erin­ne­run­gen cum gra­no salis rezi­pie­ren müs­sen. Inter­es­sant aber ist Tre­sc­k­ows Trans­for­ma­ti­on vom ord­nungs­be­wuss­ten, aber mit­füh­len­den Poli­zei­funk­tio­när zum (vor­sich­ti­gen) Advo­ka­ten der Homo­se­xu­el­len­be­we­gung, bzw. Geg­ner des §175.

    Hans von Tresckow, Kriminalkommissar in Berlin

    Hans von Tre­sc­k­ow, Kri­mi­nal­kom­mis­sar in Berlin

Das alte Berlin

2013, im April, war ich zuletzt in Ber­lin. Ich woll­te einen Rund­gang machen an die Schau­plät­ze des »Sand­korns«. Aber es war so, wie ich es geahnt hat­te: Ber­lin und Vor-Vor­kriegs-Ber­lin, das sind zwei ver­schie­de­ne Städ­te. Nur zwei Beispiele.
Das alte Hafen­be­cken am Spree-Land­wehr­ka­nal, in das Niki Schul­ze im Roman stürzt: zuge­schüt­tet, Park und Parkplatz.
Der ehe­mals groß­bür­ger­li­che Bel­le-Alli­an­ce-Platz mit der Säu­le der Vic­to­ria, Aus­gangs­punkt von Tol­meyns Ber­lin-Expe­di­tio­nen nach den Lehr­stun­den bei Nie­the: eine (immer­hin noch) im Kreis­rund ange­ord­ne­te beton­schö­ne Wohn­an­la­ge als Tor zu Kreuzberg.
Wer sich also im Roman über gewis­se Orts­be­schrei­bun­gen wun­dert, dem sei­en die alten Ber­li­ner Stadt­plä­ne empfohlen:

  • Pha­rus-Plan Ber­lin, Gro­ße Aus­ga­be 1902. Reprint 2010, Ber­lin, www.pharus.eu.
  • Ganz Ber­lin in 7 Tagen. Ein Zeit­rei­se­füh­rer in die Kai­ser­zeit. Bernd Ing­mar Gut­ber­let. Wis­sen­schaft­li­che Buch­ge­sell­schaft (Darm­stadt, 2013).
    The­ma­ti­sche Fuß­gän­ger-Tou­ren zu den his­to­ri­schen Stät­ten Ber­lins. Mit ein biss­chen Phan­ta­sie sehr wirkungsvoll!

Schweizer Söldner (auch die Vatikanische Garde ist eine Söldnertruppe…)

Das ist mit Sicher­heit ein bis­her unter­be­lich­te­tes The­ma, vor allem, wenn man die jahr­hun­der­te­lan­ge Tra­di­ti­on des Schwei­zer Söld­ner­tums bis in den Ers­ten Welt­krieg betrach­tet. Eigent­lich gibt es nur ein Buch dazu, und das ist auch noch eher aus Per­spek­ti­ve einer ein­zi­gen Fami­lie erzählt:

  • Söld­ner für Euro­pa. Mehr als eine Schwy­zer Fami­li­en­ge­schich­te. Jost Auf der Maur. Echt­zeit Ver­lag (Basel, 2011).
  • Die fran­zö­si­sche Frem­den­le­gi­on. Dou­glas Boyd. E. S. Mit­ter und Sohn (Ham­burg, 2009).
    Auch zu die­sem The­ma ist die Aus­wahl in deut­scher Spra­che ziem­lich ein­ge­schränkt. Die­ses Buch ist recht brauch­bar; aber die Bewun­de­rung für alle Mili­tä­ri­sche und vor allem die Legi­on ist schon etwas verstörend.

Letizia: Die italienische Frauenbewegung

Wie frei und selbst­si­cher konn­te eine Frau in Ita­li­en Anfang des 20. Jahrund­er­ts auf­tre­ten? Ist eine Roman­fi­gur wie Leti­zia nicht rei­nes Wunsch­den­ken? Ich glau­be nicht.

  • Die ita­lie­ni­sche Frau­en­be­we­gung im 19. Jahr­hun­dert. Eli­sa­beth Dick­mann. Domus Edi­to­ria Euro­pea (Frank­furt am Main, 2002).
    Leti­zia ist ein Amal­gam aus Cris­ti­na Tri­vul­zio de Bel­gi­oio­so (1808−−1871) und Anna Kuli­scioff (1854−−1925) und mei­ner Phan­ta­sie. Und das Buch von Eli­sa­beth Dick­mann eine ganz erstaun­li­che Recherche.

Sand

So all­täg­lich und gewöhn­lich, dass offen­bar nie­mand drü­ber – all­ge­mein­ver­ständ­li­che – Bücher schreibt. Nur eines, aber das berei­tet das The­ma in sei­ner gan­zen fas­zi­nie­ren­den Viel­falt auf:

  • Sand. The Neve­r­en­ding Sto­ry. Micha­el Wel­land. Uni­ver­si­ty of Cali­for­nia Press (Berkeley/Los Ange­les, 2009).

Castel del Monte und Friedrich II.

Fried­richs geheim­nis­vol­les Schloss… inter­es­san­te Details zu sei­ner For­men­ge­schich­te und genaue Plä­ne fand ich bei den ers­ten bei­den Titeln hier:

  • Die Bau­geo­me­trie von Cas­tel del Mon­te. Heinz Göt­ze. Carl Win­ter Uni­ver­si­täts­ver­lag (Hei­del­berg, 1991).
  • Cas­tel del Mon­te. Gestalt und Sym­bol der Archi­tek­tur Fried­richs II. Heinz Göt­ze. Pres­tel-Ver­lag (Mün­chen, 1991).
  • Iti­ne­ra­ri Fede­ri­cia­ni in Puglia. Viag­gio nei cas­tel­li e nel­le dimo­re di Feder­i­co II di Sve­via. Cosi­mo Damia­no Fon­se­ca. Mario Adda Edi­to­re (Bari, 2005).
    Fried­richs wich­tigs­te Bur­gen in den Zusam­men­hang eines oft­mals von ihm gegan­ge­nen apu­li­schen Rei­se­we­ges gebracht.

Unter den vie­len Bio­gra­phien von Fried­rich II. sticht die­se hervor:

  • Fried­rich II. Der Sizi­lia­ner auf dem Kai­ser­thron. Olaf B. Rader. C.H.Beck (Mün­chen, 2011).
    Recht smart geschrie­ben, fast ohne His­to­ri­ker­jar­gon; stellt den Kai­ser in den drei Akten »Herr­schaf­ten, Lei­den­schaf­ten, Feind­schaf­ten« vor. Auf Sei­te 209 das Pho­to, das – gewis­ser­ma­ßen – den Anstoß zum »Sand­korn« gab…

 Photographieren

Es gibt ihn wirk­lich – die­sen Nie­the. Hieß aber Mie­the, Adolf Mie­the, und war Pro­fes­sor an der Tech­ni­schen Hoch­schu­le zu Ber­lin. Schrieb das ulti­ma­ti­ve Pho­to­gra­phie­lehr­buch sei­ner Zeit:

  • Lehr­buch der prak­ti­schen Pho­to­gra­phie. Adolf Mie­the. Wil­helm Knapp (Halle/Saale, 1902).
  • Farb­fo­to­gra­fie. Band 1 – 3. Gert Kos­ho­fer. Later­na Magi­ca (Mün­chen, 1981).
    Führt durch die ver­wir­ren­de Viel­zahl frü­her Tech­ni­ken der Farbfotografie.

Und sonst:

Eini­ges zur Bau­kunst des Mit­tel­al­ters, zur Geschich­te Ber­lins, über Kai­ser Wil­helm, Geschich­te Italiens, …