Autorentreffen in Rottweil
Ende September las ich in Rottweil, beim 27. Deutsch-Schweizer Autorentreffen. Eine Frage, die mir als Neuling bei solchen Veranstaltungen im Kopf umgeht, ist, ob es zum comment gehört (oder gehören sollte), die Werke der anderen Autorinnen und Autoren zu zu kennen, wenigstens eins. Und dann welches? Aber wir waren zu acht … nicht zu schaffen. Und selbst wenn ich das zweite Buch des Kollegen B kenne, ein ganz großartiges Werk, bringe ich ihn dann in Verlegenheit, weil er meins nicht gelesen hat?
Glücklicherweise ist es in Rottweil usus, die eingeladenen Autoren allesamt zurück auf Los zu schicken. Jeder muss irgendwas über Rottweil schreiben und bei der Abschlussmatinee vorlesen. Hat auch jede/r mit mehr oder weniger Murren gemacht (bis auf einen). Und weil es ja doch rauskommt (spätestens wenn das Ganze in einem Büchlein publiziert wird), hier mein Beitrag mit ein paar Fotos aus Rottweil:
Sie wissen vermutlich gar nicht, was Sie uns antun, mit dieser bescheiden wirkenden Bitte um eine kleine Ode auf Rottweil. [Nachtrag des Autors anlässlich der Verlesung diese Textes am Sonntag: Natürlich wissen sie es, aber ich wusste es nicht, als ich schon Donnerstag abends mit dem Schreiben begann.] Schriftstellerin und Schriftsteller sein bedeutet,originell zu sein, originell sein zu wollen (bitte das jetzt keinesfalls mit »Lustigsein»verwechseln!), was Neues zu sagen oder wenigstens das Alte auf neue Weise. Schwierig genug. Mal nachgerechnet: mindestens 14 Mal waren mindestens acht Autoren hier, mindestens 112 Mal haben arme Kreaturen wie ich schon in der Eisenbahn leise vor sich hingemurmelt RottweilRottweilRottweil, verdammt da war doch/da ist doch/was ist denn jetzt. Für die Wortspielchen – á la LangweilKurzweilRottweil – wird man wohl völlig zu Recht aus diesem übrigens sehr hübschen Städtchen geworfen.
Das ist es zweifellos, denn ich habe mich entschlossen vom Sublimen auf das Handfeste zu gehen, auf Reportermodus zurückzuschalten, Journalist, der ich einmal gewesen bin: Augen auf, Ohren auf, Stift raus. Da wird dann schnell klar, dass Rottweil keine Oden irgendwelcher Großstadtautoren nötig hat, eine Stadt, in der Altpapier säuberlich mit Bindfaden verschnürt vors Haus gestellt wird. Eine Stadt, deren vermutlich anrüchigstes Etablissement (ich meine das am Friedrichsplatz) an der Vordertür noch auf einen dezenten Zugang über die Hintertür hinweist, so dass auch Honoratioren ohne Sorge um einen beschädigten Ruf eintreten können. Eine Stadt, in der ein Lehrer den Kühlschrank im Lehrerzimmer öffnet, um besorgt oder erfreut (das war nicht ganz auszumachen) auszurufen: »Och! Immer noch soviel Sekt«, sowie 4., eine Stadt, in der sogar der Knast punktgenau in der Höllgasse plaziert ist -

Wir sind in Schwaben. Vielleicht geht sogar ein Altpapierbindfadenknotenfestigkeitsprüfer herum.
- eine solche Stadt zeigt Zivilisation, Niveau und Lebensfreude. Gratulation.
Es ist jedoch jedoch auch ein bedenklicher Niedergang auszumachen, ein Zenith, welcher nachmals nicht mehr überschritten wurde. So soll es ein mir nicht näher bekannter Gottlieb Rau mit der Ausrufung einer sogenannten »Volkssouveränität« geschafft haben, 4000 Zuhörer anzuziehen – steht jedenfalls auf einer Gedenktafel an der Hauptstraße. Das schaffen acht Schriftsteller mit wesentlich belastbareren Konzepten und Geschichten nicht einmal im Ansatz, wenn ich mich hier so umsehe.
Eine Sache noch, obwohl ich mich dabei fühle wie Mr Fawlty, in den legendären FawltyTowers – Don‘t mention the war, sagte da der Hoteldirektor, gespielt von Monthy-Python-Mann John Cleese, wenn deutsche Hotelgäste anwesend waren: Der Hund… ist ja ein bisschen ein Problemhund geworden, nicht mehr so populär wie früher, und in der Stadt habe ich ihn nur als Bronzeguss oder Plastiksouvenir gesehen. Als ich Kind war, hat mich einmal solch ein 50-Kilo-Geschoss umgekegelt, er wollte nur spielen, klar.
Allerdings, als ich meinen Rollkoffer die lange Rampe vom Bahnhof in die Stadt hinauf zog und dabei über meinen Rottweilreport grübelte, geschah das Zeichenhafte, eben das, das mich jetzt dazu bringt, den Hund, obwohl Sie das vermutlich alle sowas von satt haben, doch noch zu erwähnen: Es kreuzte ein junger Rottweilerhund, drei bis vier Monate, meine Bahn, korrekt an der Leine geführt von zwei jungen Männern mitoffensichtlichem Migrationshintergrund – ob Sie das tröstlich, irritierend oder irrelevant finden sollen, weiß ich nicht, ich beobachte nur. Paradigmenwechsel gehen ja häufig schleichend vonstatten. So überraschte kürzlich die Meldung, dass nicht einmal mehr die Polizei den Deutschen Schäferhund gebrauchen kann, sie nehmen jetzt belgische.
Doch bevor ich vollends den Faden verliere, schließe ich, ohne offensichtliche Pointe, verspreche jedoch, diese für den unwahrscheinlichen Fall einer zweiten Einladung nach Rottweil nachzuliefern.
Wenn schon sonst nichts, dann können Sie diesen Beitrag im kommenden Jahr der Textwerkstatt zur Verfügung stellen, als hoffentlich gelungenes Beispiel für eine ziemliche Zeilenschinderei.
Besten Dank.