Schopenhauer-Irrtümer, Teil II
Frauenhasser Schopenhauer?
Neben dem »Pessimisten« die Nummer 2 auf der Hitliste der Etiketten, die ihm aufgeklebt werden.
Fakt ist, dass er sein Leben lang Single blieb und dass er ein schwieriges Verhältnis zu seiner Mutter hatte (solange es überhaupt bestand). Und dass er als alter Mann einen, naja, ziemlich gehässigen Aufsatz »Über die Weiber« verfasste. So, wie er halt geschrieben hat: ironisch, mit sarkastischer Schärfe und heute unhaltbarer »Wissenschaftlichkeit«, mit entschiedenen Zuspitzungen: Irrtum ausgeschlossen. Aber wenn man das rhetorische Bimbam wegnimmt, bleiben übrig die ganz und gar unspektakulären Ansichten eines Mannes des 19. Jahrhundert (der noch dazu im 18. Jahrhundert geboren wurde) zum Thema Frau und Mann. Damit war er sicher nicht alleine.
Arthurs Mutter Johanna war deutlich moderner. Sie hat sich in Weimar alle Freiheiten genommen, die sie erreichen konnte. Sich einen naseweisen und halbstarken Sohn ans Bein zu binden, gehörte nicht dazu. Es sei zwar zu ihrem Glück notwendig zu wissen, dass er glücklich sei, schrieb sie ihm einmal, aber Augenzeugin dessen müsse sie nicht sein.
Mutter und Sohn haben einander einige (auch wohlkalkulierte) Kränkungen zugefügt. Die gängige Ferninterpretationspsychologie sieht in dieser verkorksten Beziehung den Kern von Schopenhauers »Frauenhass«: Mutter ist die Best(i)e.
Das Ganze ist vermutlich mehr eine Geschichte von Enttäuschungen als von Hass – meine Meinung. Auch ein genialer, in vielen Dingen revolutionärer Philosoph ist in anderen Dingen eben ein Kind seiner Zeit, und immer ein Kind seiner Eltern.
Mit 30, also zum Zeitpunkt seiner ersten Italienreise, war Arthur Schopenhauer sicher kein »Frauenhasser«.